Milliardenkredit für den Rückbau der Selbstfeuerungsanlagen an der DDR-Mauer | MDR.DE

2021-11-16 14:56:12 By : Ms. Jenny Jian

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Am 29. Juni 1983 bürgte die BRD einen Kredit über eine Milliarde DM, den die DDR bei westdeutschen Banken aufnehmen wollte. Das Darlehen wurde von Alexander Schalck-Golodkowski als Vertreter der DDR und Franz Josef Strauß vermittelt. Aber der Kredit ist an Bedingungen geknüpft. Und so verspricht die DDR eine Erleichterung des Reise- und Besucherverkehrs, eine großzügigere Genehmigungspraxis für Ausreiseanträge und den Abbau der Selbstfeuerungsanlagen an der Wand.

Nach der Gründung von Bundesrepublik und DDR 1949 war die Demarkationslinie zwischen den beiden Staaten zunächst noch durchlässig. Für den kleinen Grenzverkehr gab es offizielle Grenzübergangsstellen. Tausende von Menschen gingen auch heimlich immer und immer wieder hin. Aber seit dem 26. Mai 1952 herrschte ein starres Grenzregime. Die Grenzübergangsstellen für den kleinen Grenzverkehr wurden geschlossen. Die Polizei ließ bekannt werden, dass Waffen gegen illegale Grenzgänger "eingesetzt" wurden.

Auf der anderen Seite konnten die Arbeiter plötzlich nicht mehr zu ihren Arbeitsplätzen gelangen. Gleichzeitig begann die DDR, entlang der gesamten Grenze ein etwa fünf Kilometer breites Sperrgebiet einzurichten. Die Bewohner dieser Sperrzone mussten innerhalb von 48 Stunden eine Aufenthaltserlaubnis in Form eines Ausweises erhalten. Restaurants, Kinos und Pensionen im Sperrgebiet wurden geschlossen, alle Versammlungen und Massenveranstaltungen, auch Gottesdienste, verboten.

In den letzten Maitagen 1952 und dann noch einmal Anfang Juni folgten unter dem Namen "Aktion Ungeziefer" diejenigen, die das Regime als potentielle Gegner betrachtete oder als unzuverlässig einstufte. Mehr als 4.400 Bewohner des von Zwangsumsiedlung bedrohten Sperrgebiets entkamen durch Flucht in den Westen – die Grenze war noch nicht undurchdringlich. Die Zwangsumsiedlung löste bei denjenigen, die sich im Sperrgebiet aufhielten, Angst und Schrecken aus. Wie effektiv diese willkürliche Maßnahme systemtechnisch war, zeigte sich am 17. Juni 1953: Während in 700 Städten der Republik Streiks oder andere Aktionen stattfanden, blieb es an der Grenze ruhig.

1986 flohen zwei Surfer mit selbstgebauten Boards über die Ostsee nach Dänemark. Sie waren zwei von Tausenden, die diese gefährliche Reise in die Freiheit gewagt haben. Viele wurden dabei getötet.

Nach dem Beitritt der DDR zum Warschauer Vertrag 1955 wurde die DDR-Grenzsicherung in die Gesamtplanung des sowjetischen Militärs einbezogen. Dies führte zu einer Militarisierung der Grenzsicherung. Die dem DDR-Innenminister unterstellte deutsche Grenzpolizei erhielt Schützenpanzer, Selbstfahrlafetten sowie Panzer- und Flugabwehrraketen. Nun soll es nicht mehr nur Fluchtversuche, sondern auch einen Nato-Angriff an der Front vereiteln.

Vor 32 Jahren durchtrennten Ungarns Außenminister Gyula Horn und sein österreichischer Kollege Alois Mock symbolisch den Zaun zwischen den beiden Ländern.

Zäune, Gräben, Alarmanlagen prägten das Bild an der Grenze – es wurde immer unüberwindlicher. Fluchtwillige wählten in diesen Jahren den Weg über West-Berlin. Dort war es DDR-Bürgern aufgrund des besonderen Vier-Mächte-Status noch möglich, das Land mit der S-Bahn zu verlassen. Zwischen August 1953 und Ende 1958 meldete die Notaufnahmestelle Marienfelde eine Million Flüchtlinge. Nach der Berlin-Krise 1958 verschärfte sich die Lage noch einmal: Das Ultimatum der Sowjets an die Westalliierten sollte sie zwingen, Berlin zu verlassen, scheiterte aber und löste eine Art Panik in der DDR-Bevölkerung aus. 1960 flohen 200.000 Menschen von Ost nach West. Bis Ende Juli 1961 verlor die DDR weitere 130.000 Einwohner. Der Arbeitskräftemangel führte zu Produktionsausfällen in den Schlüsselbetrieben der DDR-Wirtschaft – eine existenzbedrohende Krise. Ulbricht reagierte mit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961. Von nun an wurde auch in Berlin an der Grenze geschossen.

1961 wurde in Berlin trotz aller gegenteiligen Zusicherungen eine Mauer gebaut. Die Grenzen zur BRD werden zu tödlichen Fallen für DDR-Flüchtlinge.

Im September 1961 übernahm das Bundesministerium der Landesverteidigung die deutsche Grenzpolizei, die nun „Grenzkommando der Nationalen Volksarmee“ hieß. Eine interne Bestandsaufnahme dokumentierte, dass bis dahin nur zehn Prozent der Westgrenze mit einreihigen Stacheldrahtzäunen gesichert waren und auch die Anzahl der Pfosten als zu gering eingeschätzt wurde. Mit Einführung der Wehrpflicht im Jahr 1962 mussten Wehrpflichtige auch in den Grenztruppen dienen. Sie stellten etwa die Hälfte der Truppen, die 1963 etwa 52.000 Mann betrugen.

Günter Litfin, geboren am 19. Januar 1937 in Berlin-Weißensee, war das erste Opfer der Berliner Mauer. Litfin hatte versucht, in der Nähe der Charité nach Westen zu fliehen. Er wurde von Grenzsoldaten erschossen.

Nach Plänen des Ministeriums für Nationale Verteidigung des sowjetischen Marschalls begann der Ausbau der Grenzanlagen unter anderem mit Drahtbarrieren, Aussichtstürmen und Minenfeldern. Auf einer Grenzlänge von 770 Kilometern wurden zwischen 1961 und 1983 insgesamt rund 1,3 Millionen Bodenminen gelegt. Die Minen sollten Flüchtlingen die Füße abreißen. Ab den 1970er Jahren kamen Splitterminen vom Typ SM 70 zum Einsatz – diese sogenannten Selbstfeuerungssysteme waren so konstruiert, dass beim Be- oder Entladen eines locker gespannten Drahtes drei Minen gleichzeitig detonierten. Aus einem Trichter schossen sie rund 100 scharfkantige Metallwürfel von fünf bis acht Millimeter Länge mit einer Reichweite von bis zu 280 Metern. 1982 war etwa ein Drittel der Grenze mit Splitterminen ausgestattet. In der DDR wurden Minen und Selbstfeuerungsanlagen nie offiziell erwähnt - und doch wirkten die Berichte aus dem Westen über verletzte oder getötete Grenzflüchtlinge abschreckend. Bis 1993 gab es 34 bekannte Todesopfer durch Boden- oder Splitterminen.

Allein die Kosten für die Ausstattung der Grenze mit den Minen SM 70 kosteten zehn Millionen Mark - nur ein kleiner Teil der immensen Ausgaben der DDR für die Grenzsicherung. Allein zwischen 1961 und 1964 kosteten Bau und Betrieb der Grenzbefestigung 1,8 Milliarden Mark. Ein echter Stressfaktor für die Wirtschaft war auch, dass durch den Grenzdienst der Volkswirtschaft mehr als 50.000 junge arbeitsfähige Männer fehlten.

Das Grenzregime hat das Amt nicht nur wirtschaftlich getroffen, sondern vor allem dem internationalen Ansehen der DDR geschadet. Deshalb stimmte Alexander Schalck-Golodkowski den Bedingungen von Franz Joseph Strauss zu, als er im Juni 1983 die Gewährung eines Milliardenkredits an die Bedingung knüpfte. Die DDR sollte nicht nur die Bergwerke und Selbstfeuerungsanlagen abbauen. Im Gegenzug versprach sie auch, den Reise- und Besucherverkehr zu erleichtern. Der Beginn des Abbaus der Minenfelder wurde als Beitrag zur Entspannungspolitik der Grenztruppen selbst gesehen.

Wie gefährlich die Mauer blieb, zeigten immer wieder gescheiterte Fluchtversuche. Der letzte Flüchtling, der im Februar 1989 durch Schüsse an der Berliner Mauer getötet wurde, war Chris Gueffroy. Zehn Kugeln trafen ihn, bevor er den letzten Metallzaun überquerte. Am 3. April 1989 verfügte Erich Honecker, dass Schusswaffen nur zur Selbstverteidigung gegen Grenzverletzer verwendet werden dürfen. Mit dem Abbau des Eisernen Vorhangs in Ungarn 1989 begann eine neue Flüchtlingsbewegung aus der DDR über die nun „grüne“ Grenze nach Österreich. Auf diese Weise wurde ein absurdes Grenzregime "von hinten" untergraben - es brach am 9. November 1989 zusammen.

Im Januar 1992 wurde das Urteil im ersten „Mauergewehrprozess“ vor dem Landgericht Berlin verkündet. Der Schütze wird zu vier Jahren Haft verurteilt, die Mitangeklagten zu Bewährungsstrafen.

Am 22. März 2001 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Klage des ehemaligen SED-Politbüromitglieds Egon Krenz gegen seine Verurteilung wegen Erschießung an der Mauer abgewiesen. Krenz blieb in Untersuchungshaft.

Knapp ein Jahr nach dem Mauerfall rekonstruiert das DFF-Fernsehmagazin "Klartext" in einem Bericht die Ereignisse, die am 9. November 1989 zur Öffnung der Westgrenze führten. Zeitzeugen berichten.

Im Herbst 1989 erlöste Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher Tausende von Menschen aus der DDR, die das Land verlassen wollten. Seine Rede vom Balkon der Botschaft in Prag machte ihn weltberühmt. Der Politiker starb 2016.

Am 21. August 1989 wurde Kurt-Werner Schulz auf der Flucht mit seiner Familie über die ungarisch-österreichische Grenze erschossen. Seine Frau beschreibt die schreckliche Nacht.

Das Treffen zwischen Bundeskanzler Kohl und dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow vom 14. bis 16. Juli 1990 im Kaukasus ebnete den Weg für die deutsche Einheit. Es war ein historisches Ereignis.

Der Tag des Mauerfalls hatte auch gravierende Auswirkungen auf den DDR-Fußball. Viele Spieler wechselten bereits nach wenigen Tagen oder Wochen zu westdeutschen Mannschaften. Das war der Anfang vom Ende des DDR-Fußballs.

1961 wurde die Grenze zu West-Berlin abgeriegelt. Bei einem Fluchtversuch aus der DDR starben 327 DDR-Bürger. Der letzte Todesfall war Chris Gueffroy. Er wurde am 5. Februar 1989 bei einem Fluchtversuch erschossen.